Review< Zurück 28.11.2009

2012

Von Max Werschitz

Das Ende der Welt wird uns 2012 vermutlich nicht bevorstehen, das Ende von Roland Emmerichs Filmkarriere leider vermutlich auch nicht: sein neuestes Werk der Zerstörung ist trotz fragwürdiger Qualität ein medienwirksamer Kassenschlager.

Es ist ja fast schon wieder beruhigend: Schwein gehabt, nicht wir sind es die wir durch drohend schlummernde Atomwaffenarsenale oder ungebremste CO2-Emissionen oder ein unhaltbares Wegwerfwirtschaftssystem die Erde zerstören, nein, die gute alte Sonne kommt uns zuvor. Bedingt durch eine nur alle paar zehntausend Jahre vorkommende (und von dem Mayas vorhergesagte) Planetenkonstellation beschießt sie uns frech mit Neutrinos die den Erdkern zum Kochen und den ganzen Planeten wie einen Hamster in der Mikrowelle zum aufplatzen bringen. Mahlzeit.

Was also tun? In Roland Emmerichs 2012 schrillen bei diversen Wissenschaftlern bereits vier Jahre vor diesem biblischen Ereignis die Alarmglocken. Ruck-zuck ist ein Computermodell samt Zeitplan bei der Hand: zuerst sind gewaltige Erdbeben und Vulkanausbrüche zu erwarten, gefolgt von einer Kontinentalverschiebung und schließlich gekrönt von (fast) alles unter ihren Wassermassen begrabenden Tsunami-Flutwellen. Rasch und diskret werden also die wichtigsten Regierungen der Welt (also G8 und Konsorten, auf den Rest wird scheinbar demonstrativ geschissen) verständigt und ein geheimes Mammut-Projekt gestartet: der Bau von "Archen" im gut behüteten Himalaja-Gebirge. Diese sollen wenigstens das Überleben eines kleinen Teils der Menschheit garantieren, pikanterweise jener Leute die a) entweder brav Milliarden für ein Ticket bezahlt haben oder b) durch einen nicht näher erklärten Selektionsmechanismus die richtigen Xs und Ys in den schützenswerten Genpool mitbringen. Alle anderen werden vorsorglich im Dunkeln gelassen, schließlich hat eine handfeste Panik noch niemandem geholfen. Die Vorgeschichte samt nötiger pseudowissenschaftlicher Hintergründe und religiöser Verschwörungsmystik wird relativ schnell abgehakt. Die zentrale Handlung dreht sich dann einerseits darum wie der erfolglose Autor Jackson Curtis (John Cusack) sich und seine (Ex-)Familie samt neuem Patchwork-Daddy durch rechtzeitiges Erreichen der Archen retten will, andererseits um die Arbeit des Geologen Adrian Helsmley (Chiwetel Ejiofor) und weiteren MitarbeiterInnen des amerikanischen Katastrophenstabs.

Und voilà, fertig ist das Rezept für ein Special Effects-Wettrennen in mehreren Etappen wie wir es bisher eigentlich nur von Bond-Filmen gewohnt waren. In vieler Hinsicht wirkt 2012 wie ein Computerspiel bei dem man sich zwar mit stressbedingtem Tunnelblick durch immer schwieriger werdende Level kämpfen muss, als Belohnung dafür aber auch immer imposantere Transportmittel zur Verfügung gestellt bekommt. So düsen die Protagonisten zuerst mit einer Straßenlimousine herum, gefolgt von einem Campingbus, dann wird in ein kleines Propellerflugzeug umgestiegen, als nächstes kommt ein riesiger russischer Transportjet, und schließlich ist man auch noch an der Rettung der kilometerlangen amerikanischen Arche beteiligt. Dass sich sowohl Gefahrenszenerie als auch der "spannende" Ablauf dabei relativ ähnelt und einige Szenen schon direkt im Film wie plumpe Kopien von vorangegangenen wirken ist das erste Problem. Das zweite ist dass einem trotz ehrfurchtseinflößender Imposanz alles halt schon irgendwie sehr bekannt vorkommt. Und daran trägt Roland Emmerich durchaus selbst Schuld, schließlich zeichnet er inzwischen, so kommt mir zumindest vor, für einen Großteil aller Katastrophenfilme samt ikonischer visueller Stilmittel verantwortlich.

Leider scheint er aus diesem Erfahrungsschatz wenig gelernt zu haben und pfeift bei vielen Details der Actionszenen auf Logik (oder zumindest nachvollziehbaren Zusammenhängen). Das Paradebeispiel ist wohl die letzte "spannende" Wettlaufetappe: das Tor der flutgebeutelten, angeblich weltuntergangssicheren amerikanischen Arche lässt sich nicht schließen weil sich irgend ein bescheuertes Kabel samt etwa armgroßem Maschinenteil in der gewaltigen Zahnradmechanik verfangen hat, und ohne geschlossenes Tor können die Antriebsturbinen nicht gestartet werden um eine Kollision mit dem Mount Everest zu verhindern, also muss Curtis wie weiland Captain Kirk in Star Trek IV auf spontane Tauchmission gehen und es entfernen. In peinlichem Kontrast dazu befinden sich jedoch anscheinend auf jedem Quadratzentimeter des Schiffsinneren wasserfeste Kameras die der besorgten Brückencrew in perfekten Close-ups zeigen wie der Held der Stunde gerade am Werk ist.

Was die Mängel auf Technik- und Action-Ebene noch schlimmer macht ist die Klischeehaftigkeit und Vorhersehbarkeit der einzelnen Charaktere, und vor allem die Botschaft die der Film damit so plump verbreitet. Natürlich stirbt der neue Lebensgefährte - übrigens ein etwas oberflächlicher Schönheitschirurg - von Curtis' Ex-Frau, und die klassische Familie ist am Ende wieder glücklich vereint. Natürlich geht der böse geldgierige russische Milliardär als Strafe für seinen Verrat an der Curtis-Familie drauf. Natürlich überlebt der bescheuerte Chihuahua seiner dummen Blondinenfreundin. Natürlich bleibt der Präsident heldenhaft auf dem sinkenden Schiff das einmal die USA waren zurück. Und natürlich kommen am Ende der attraktive Afroamerikaner und die attraktive Afromaerikanerin zusammen. Ach ja, und natürlich haben Frauen im Film insgesamt wenig Wichtiges und schon gar nichts Heroisches zu tun, ausser auf die Kinder oder ihren Hund aufzupassen - während die Männer die rettenden Autos fahren, Flugzeuge fliegen oder Rettungstaucher spielen.

Der einzige Pluspunkt für 2012 ist im Grunde genommen ein ebenso gewaltiger Minuspunkt wie die eben aufgezählten: der Film ist zugegebenermaßen manchmal unterhaltsam, aber nur weil es neben den wenigen wirklich witzigen Momenten ("Achtung, ein Donut!") jede Menge unfreiwillig komischer gibt. Dazu gehören folgende zwei unglaublich dumme Zitate die sich mir unauslöschlich eingeprägt haben: Nummer 1 ist das "Komm schon Baby, heb' deinen Arsch für Sascha!" des russischen Piloten (in klischeehaftestem russischem Akzent) als die fette Tupolev einfach nicht in den Himmel will, Nummer 2 ist der vermutlich lächerlichste Schluss-Satz der je in einem Film vorkam - "Ich brauche keine Schlummerhöschen mehr."

 

Meine Wertung:
2 Kinomos
 

Fazit

Meine Wertung:

 

Der dreiste kleine Kinomo

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